Gerald Swarat: Stand der smarten ländlichen Regionen

Shownotes

Seit 2014 beschäftigt sich Gerald Swarat mit den sog. "Smart Countries". Einerseits als Mitgründer des aktuellen Co:Labs und andererseits als Leiter des Berliner Kontaktbüros der Fraunhofer IESE. Er hat einen guten Überblick über den Stand der digitalen Transformation, auch und vor allem in den Kommunen.

Wir sprechen über seine Einschätzung,

  • welche Treiber die kommunalen Entwicklungen "smart" voranbringen,
  • welche Kraft in den Kommunen steckt zwischen Pragmatismus und Utopie,
  • und welche Projekte sich dann als digitale Helferlein aktuell durchsetzen.

Gerald Swarat https://gerald-swarat.de/

Co:Lab - Denklabor und Kollaborationsplattform für Gesellschaft und Digitalisierung e.V. https://colab-digital.de/

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE https://www.iese.fraunhofer.de/

Projekt Digitale Dörfer https://www.digitale-doerfer.de/

Felix Stalder: Kultur der Digitalität https://www.suhrkamp.de/buch/felix-stalder-kultur-der-digitalitaet-t-9783518126790

Armin Nassehi: Muster - THEORIE DER DIGITALEN GESELLSCHAFT https://www.chbeck.de/nassehi-muster/product/27704288

James Lovelok: Novozän - DAS KOMMENDE ZEITALTER DER HYPERINTELLIGENZ https://www.chbeck.de/lovelock-novozaen/product/29712170

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00:00:08: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des EduFutures Podcast,

00:00:15: mit dem Schwerpunkt Transformatives Lernen im ländlichen Raum,

00:00:19: Gemeinsam mit Joachim Borner. Mein Name ist Anja Wagner und wir haben uns als Gast hinzugeladen: Gerald Swarat,

00:00:28: um mit ihm die Entwicklung von den Smart Countries bis zu den Smart Citys, die derzeit überall entstehen,

00:00:35: nachzuvollziehen und zu diskutieren, inwiefern wir alle wechselseitig voneinander lernen können. Welche Fragen da aufkommen, wie man unterschiedlich auf dieses Thema blicken kann.

00:00:47: Wir haben das noch nicht abschließend heute geschafft, aber ich denke, es sind einige interessante Fragestellungen dabei herausgekommen.

00:00:56: Ich wünsche euch viel Spaß beim Hören. Hallo Gerald. Hi, vielen Dank, dass ich hier sein darf. Vielen Dank für deine Zeit, Gerald. Magst du dich mal ganz kurz vorstellen? Warum haben wir dich eigentlich eingeladen?

00:01:06: Das musst du dann noch beantworten, aber ja mein Name ist Gerhards Swarat, ich habe Deutsch und Geschichte studiert und

00:01:14: arbeite für Fraunhofer und zwar leite ich das Berliner Büro eines Fraunhofer-Instituts aus Kaiserslautern, das sich mit experimentellem Software-Engineering beschäftigt.

00:01:25: Das ist jetzt nicht ganz so mein Fachbereich, aber ich bin halt dahin gekommen 2014,

00:01:32: als wir eine gemeinsame Idee hatten, dass auch die Digitalisierung von

00:01:36: Städte und Gemeinden nicht nur bei Großstädten sein darf, sondern halt ja um das gesamte Land abzudecken auch in den kleineren Städten und Regionen. Und damit, ja, das ist auch mein Hauptthema geworden, dann seit 2014.

00:01:51: Und vielleicht bin ich deswegen auch hier, weil ich es seitdem immer ein bisschen weiter getrieben habe.

00:01:56: Genau, und zwar 2014 haben wir uns kennengelernt in der Co:Lab Initiative „Smart Country“. Hast du die schon geleitet oder ja, okay.

00:02:06: Genau, das war der Anfang. Da bin ich sehr unbedarft dazugekommen und habe dann gedacht, das ist ein guter Punkt, und den Schuh ziehe ich mir mal an.

00:02:15: Und das ist im Prinzip genau das, was ich mir jetzt von dem jetzigen Co:Lab auch wünschen würde, dass wir solche Leute finden, die

00:02:22: eine Chance sehen und so was dann machen, ne. Worum geht's denn da?

00:02:26: Jetzt höre ich bloß, das ist so toll, aber worum geht es bei dem Co:Lab? Was ihr gegründet habt.

00:02:33: Das neue Co:Lab. Ja, also im Prinzip geht's da darum, dass man

00:02:38: versucht über Sachen zu reden, von denen man vielleicht in drei Jahren sagt, hätten wir mal vor drei Jahren darüber geredet. Und,

00:02:45: dass wir überzeugt davon sind, dass es solche Scharnierfunktionen braucht, die die Berliner Blase mit den Regionen verbindet, die auch saturierte Experten und Expertinnen, die in den Institutionen sitzen, mit der Zivilgesellschaft verbindet und halt,

00:02:58: im Prinzip machtfreie Diskurs Räume schafft, um,

00:03:01: ja mit Gesellschaft und Digitalisierung, multiperspektivisch voran zudenken und dort Impulse dann zu setzen, die sich dann im politischen Berlin,

00:03:10: und auch in der Umsetzung wiederfinden.

00:03:12: Das ist auch die Funktion von einem Kontaktbüro oder das hat mich nämlich auch so ein bisschen stutzig gemacht. Was ist ein Kontaktbüro?

00:03:21: Ja, nee, das ist dann das meine hauptberufliche Tätigkeit bei Fraunhofer ist im Prinzip, dass wir die Themen des Instituts auch in Berlin verankern, dort auch für Kontakte aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, wie auch immer, da bin und dort dafür sorge, dass,

00:03:35: ja, dass die Wissenschaftspolitik halt auch die nötige Aufmerksamkeit findet, die sie braucht. Und dass das so heißt, das ist einfach ein Fraunhofer interner Prozess,

00:03:45: der dann zu solchen Namen führt, was ich nicht unbedingt weiter kommentieren muss.

00:03:52: Okay, vielleicht für das Verständnis und das könnte man vielleicht auch kurz aufrollen, woher kam diese damalige Co:Lab?

00:04:02: Magst du das erklären?

00:04:06: Ja, ich bin da auch nur Quereinsteiger gewesen. Das war, damals glaube ich, 2012 wurde es von Google ins Leben gerufen und auch,

00:04:15: sehr viel Geld untersetzt, um sozusagen auch einfach diese netzpolitischen Debatten in Deutschland voranzutreiben und dort als Plattform zu fungieren.

00:04:24: Und das lief auch damals sehr gut, ich hatte natürlich schon immer das Problem des Google Sponsorings.

00:04:30: Aber es hat wirklich wunderbare ja Publikationen in vielen Bereichen gemacht und, ja

00:04:37: insofern ... Ich weiß nicht, wie du es wahrgenommen hast. Du kannst das ja auch nochmal erzählen, aus deiner Perspektive. Du warst da vielleicht schon mehr in der Community drin als ich,

00:04:44: Nee, ich bin auch erst 2014 eingestiegen. Also genau, das ist eine Google Initiative und sie haben das dem Verein zur Verfügung gestellt,

00:04:54: um genau diese netzpolitischen Debatten anzustoßen, quer

00:04:59: zu den Akteuren, also Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, zu Vereinen und da ja wie du sagst, um machtfreie Räume

00:05:07: zu schaffen und diese Projekte waren relativ groß, immer aufgesetzt und es waren auch wirklich viele Fachexpertinnen dabei.

00:05:17: Und die mussten dann selber Gelder akquirieren, um diese Projekte durchzuführen, damit die halt auch, es war ja noch in dem Zeitalter, als wir noch reisten,

00:05:26: dass die auch irgendwie alle dann nach Berlin zum Beispiel kommen konnten. Dafür brauchte man ein kleines Budget und auch die ganzen Publikationskosten.

00:05:35: Und Google hat dann irgendwann immer einen Euro darauf gegeben. Also für jeden Euro, den sie eingeworben haben, der Verein haben sie einen Euro darauf gegeben,

00:05:43: bis sie sich dann irgendwann zurückgezogen haben, das war glaube ich 2016, nicht? Da hat Google dann gesagt, nee, jetzt müsst ihr alleine auf euren Beinen stehen. Da wurde der Verein

00:05:53: eingestampft sozusagen und jetzt haben wir 2019.

00:05:58: Ende 2019 hat auf deine Initiative primär und aber auch von Marc und Annika,

00:06:06: hat sich der neue Co:Lab Verein wieder gegründet, weil es uns allen fehlte, so einen Raum zu haben, wo Menschen zusammenkommen, die sich sonst vielleicht nicht so begegnen würden.

00:06:18: Und die vor allem auch nicht so inhaltlich diskutieren würden und das war eigentlich immer sehr hilfreich. Also für mich vor allen Dingen auch seitens der Zivilgesellschaft, um da auch die ein oder andere Idee mal zu platzieren, 

00:06:30: die dann über den Weg auch in die Politik gefunden hat und dann vielleicht dann auch aufgegriffen wird von anderen

00:06:37: Playern. Und das fand ich persönlich immer sehr hilfreich.

00:06:43: Genau! Ja, ich hoffe auch, dass das jetzt, das steht natürlich jetzt vor denselben Problemen im Prinzip auch der Finanzierung und auch der

00:06:52: unabhängigen Finanzierungen, ne! Und ja, aber ich glaube, dass das schon noch richtig ins Laufen kommt. Das dauert halt alles länger und wir hatten jetzt natürlich auch mit den ganzen Corona-Phasen auch erschwerte Bedingungen, was

00:07:05: ja wirklich auch zufriedenstellende Arbeit mit vielen Leuten angeht, die sich sonst auch nicht kennen. Das ist dann online halt doch nicht alles so schön.

00:07:13: Warum wir dich eingeladen haben jetzt so quasi für unseren ersten offiziellen Podcast ist,

00:07:19: weil du meines Erachtens einen extrem guten Überblick hast über diese gesamten

00:07:24: Prozesse von Smart Country bis heute zu diesen ganzen Smart City-Initiativen, die ja auch jetzt

00:07:30: massiv aufpoppen überall. Und wie nimmst du das wahr? Also früher war's die Zivilgesellschaft, die sowas vorangetrieben hat. Heute ist es die Politik.

00:07:39: Wo ordnest du da die alte Economy ein? Die sehe ich kaum. Wie blickst du da drauf, auf diese Initiativen?

00:07:46: Ja, ich hätte jetzt gar nicht auch gesagt, dass das früher die Zivilgesellschaft vorangetrieben hat.

00:07:52: Aha! Ich hätte gesagt, das ist eigentlich schon irgendwie genau andersrum, weil ich gefühlt immer noch ein bisschen dagegen ankämpfe, dass sehr viel aus der Verwaltung heraus gedacht wird.

00:08:03: Also, dass sozusagen auch Strategien, obwohl sie sich manchmal dann irgendwie Smart City Strategie nennen, eigentlich aus der Verwaltungsperspektive und für die Verwaltung gedacht sind und auch viele Pilotprojekte eher dann so

00:08:15: für die Verwaltung hilfreich sein sollen.

00:08:18: Und das heißt, ich würde eher sagen, es hat schon eine ziemliche Zeit gedauert, bis dann auch die Rezipienten von Förderprogrammen oder die Adressaten, sich

00:08:25: auch von der Old Economy weg entwickelt hat. Und die Förderprogramme gab's ja auch nicht. Die gibt's jetzt, die sich dann sozusagen aus der Stadtentwicklung heraus, 

00:08:35: auch direkt an die Kommunen richten.

00:08:37: Und sagen ihr müsst jetzt, könnt jetzt endlich das umsetzen, was ihr in den gesamten integrierten Stadtentwicklungskonzepten habt. Ihr müsst selber ausschreiben. Es reicht nicht, wenn ihr ein tolles Konsortium mit Huawei macht und danach

00:08:48: intelligente Laternen habt und Kühlschränke, ne! Sondern zu sagen, der Nachweis auch, dass man die eigenen Strategien umsetzt.

00:08:56: Da hat sich schon was verändert und das sehen wir natürlich auch da und jetzt in der Nachhaltigkeitsdebatte, dass sich auch so,

00:09:03: also diese Unternehmensbeteiligung, auch der Ansatz, der linearen, technischen, technologischen Innovation, der sagt, wir haben irgendein Problem und dann brauchen wir

00:09:13: neue Innovationen, dann läuft das schon, ne? Haben wir keine Bienen mehr, haben wir Bestäubungsdrohen so. Und das wird natürlich jetzt durch diese ganze Bewegung der Nachhaltigkeit auch infrage gestellt und

00:09:24: deswegen finde ich's auch toll. Ich habe mich lange dagegen immer gewehrt, dass immer in jedem Förderantrag auch immer so was wie Start-ups steht. Die muss man einbinden, um Innovationen für das Gemeinwesen zu organisieren in den Städten. Wo ich mich immer gefragt habe, ist das denn übrigens überhaupt das, was die wollen, ne?

00:09:40: Deswegen bin ich echt happy, dass es jetzt auch so was gibt, wie ich weiß nicht, ob ihr die kennt, Zebras heißen die, das ist jetzt sozusagen

00:09:47: auch so ein Zusammenschluss von Start-ups, die eigentlich,

00:10:00: so für Nachhaltigkeit, Inklusivität, Kooperation und sozusagen für, was weiß ich, vielleicht für Stakeholder-Kapitalismus stehen. Im Gegensatz zu dem durch den Venturekapital getriebenen mit den schnellen Exit-Geschichten. Also, da verändert sich schon viel.

00:10:10: Aber ich glaube, wir sind immer noch nicht an dem Kern angekommen. Also es gibt gerade aus allen Bewegungen, aus allen Bereichen der Gesellschaft jetzt Bewegung, die dieses Thema befeuern. Also es gibt mittlerweile die Community von unten, die aus den

00:10:23: überforderten Magneten der großen Metropolregionen in die Breite strömen. Die haben dann gemerkt, der Balkon in Kreuzberg ist dann doch zu klein für lange Lockdownphasen. Wir brauchen alle unser Retreat in den ländlichen Räumen und so

00:10:37: entwickelt sich das nach außen.

00:10:39: Und ich denke auch langsam immer so darüber nach, dass das irgendwann vielleicht einfach zusammen verschwimmt in Regio-Polen und sowas, ne? Aber wir überfordern glaube ich immer weiter die Kommunen.

00:10:50: Wir machen uns nicht genug Gedanken darüber wie wir auch vielleicht eine neue

00:10:54: Staatskunst, ist jetzt vielleicht dramatisch gesagt, brauchen, wie wir das wieder neu organisieren, die Verantwortlichkeiten und was wir von den ja Grunddaseinsfürsorge-Aufgaben

00:11:03: im digitalen Bereich auch zentralisiert machen können, um den Kommunen wieder mehr Kraft zu geben, für die Kernaufgaben vielleicht.

00:11:14: Ja, in den sozialen Bereichen und den kulturellen, ne!

00:11:18: Ich glaube, da müssen wir schon noch etwas tun. Denn wenn's da nicht besser wird, was Personalabbau, Kompetenzen, Aufgabenentlastung angeht, dann wird das nicht funktionieren.

00:11:29: Wie siehst du überhaupt diese Lernprozesse zwischen den Kommunen? Inwiefern findet da genügend Austausch statt?

00:11:38: Also, das ist ein positives, dieses riesige Smart City Förderprogramm, das ja 1,2 Milliarden

00:11:45: in drei Tranchen jetzt sozusagen in die Region gebracht hat.  Dass da sich sogar, weil's von Anfang an keine Begleitforschung gab,

00:11:54: haben die sich selber organisiert über LinkedIn uns so. Und die haben jetzt wöchentliche Calls wo, die sich gegenseitig berichten, was sie machen

00:12:01: Sie haben sich selbstständig auch organisiert, wer ähnliche Themen machen will und das findet da jetzt schon wunderbar statt und das ist halt auch eine Sache,

00:12:08: da kommen wir vielleicht noch zu, wo man sagen muss, ja das ist halt Förderung, die hilft da tatsächlich, ne? Aber nur wenn's auf gute Leute in den Regionen auch stößt und die auch in den Projekten bleiben dürfen.

00:12:21: Ja, aber das ist halt so, das ist in den größeren Städten halt auch einfacher. Also wenn man die

00:12:26: Digital-Abteilung von ja den Großstädten vergleicht mit jetzt den ländlichen Regionen, dann funktioniert das nicht, ne!

00:12:34: Aber das ist halt auch noch das, da würde mich auch deine Meinung interessieren so.

00:12:38: Wir reden ja immer viel über, das sieht man jetzt auch mit Thomas Sattelberger, Wolf Lotter und so wie die alle heißen über dieses Thema Innovation und auch

00:12:47: dieses ganze Transformations-Design, ich bin mir wirklich auch nicht sicher, ob wir uns 

00:12:52: viel zu leicht, manchmal auch noch blenden davon, dass wir jetzt sagen, jetzt steht was auf der Agenda, das müssen wir lösen. Corona dachten wir auch, könnten wir mit Technik lösen, ne! Mit Luca- oder Corona-Warn-App und stellen dann fest, ah, verdammt, ne? Das hätte man doch vielleicht,

00:13:05: irgendwie mit vorausschauender Regelung doch dann besser machen müssen so. Aber dieser Reflex.

00:13:11: Wissen wir überhaupt, wohin wir transformieren wollen, ne? Und hat jeder seinen Reckwitz gelesen, um darüber auch ernsthaft diskutieren zu können?

00:13:20: Ne? Haben wir noch genug Leute, die von der eingeschlagenen Fortschrittserzählung profitieren, ne? Ähm.

00:13:29: Vielleicht sollten wir uns darüber auch noch ein bisschen Gedanken machen, ob wir da überhaupt Einigkeit haben durch das gesamte Land, was denn jetzt Sinn und Zweck ist. Wer ist die Wissensökonomie? Sind das alle?

00:13:40: Ne? Ich glaube, da könnte man schon noch mal ein bisschen auch Kopf reinstecken, um sich zu überlegen, warum manche nicht mitgenommen werden und Wahlentscheidungen ausfallen.

00:13:50: Denke ich in letzter Zeit auch verstärkt darüber nach, also jetzt auch mit Blick auf diesen ganzen Bildungsdiskurs, wo du Corona angesprochen hast, ist das ja auch so ein Thema, also dass wir

00:14:00: an Präsenzunterricht daran festhalten müssen, weil die ganzen anderen Konzepte, die es ja auch schon seit Jahrzehnten gibt, aber nie irgendwie in die Breite Eingang gefunden haben

00:14:10: und das auch strukturell nicht aufgegriffen wurde.

00:14:15: Und ich glaube, wir müssen so ein bisschen, jetzt haben wir ja auf der anderen Seite diese ganzen Vereine, die sich dann für digitale Bildung starkmachen, ne! Also die wachsen ja offenbar, ich habe keine Ahnung, ich hab das 

00:14:25: Gefühl, es kommt jede Woche ein neues Netzwerk hoch.

00:14:28: Die aber auch sehr schematisch denken, sehr mechanistisch denken. Also, dann wird halt die alte Bildung jetzt ein bisschen digitalisiert. Das bringt ja auch keinem was!

00:14:37: Also was mir fehlt in Deutschland, das wiederhole ich auch immer wieder an allen

00:14:44: passenden und unpassenden Stellen, mir fehlt so ein bisschen der Transformationswille.

00:14:50: Also wirklich transformativ auf einer neuen Ebene, das, was du auch eben sagtest, vielleicht neu irgendwie aufzusetzen und das mal sich auch zuzulassen, dass man mal

00:15:01: vielleicht die eingeschlagenen Pfade etwas verlässt und dann 

00:15:05: etwas ganz anders macht. Ja und das ist, wirklich eine schwierige, kulturelle Frage auch. Und das sieht man jetzt auch, wer jetzt wieder gewählt wurde. 

00:15:16: Also ist man bereit in einer komplexen Welt eine große Veränderung in seinem nahen Umfeld zuzulassen. Das ist, glaube ich, allein schon biomechanisch eine kolossale Herausforderung.

00:15:28: Und das ist halt dann also schon schwierig.

00:15:31: Und wir scheuen dann schon eher davor, die manche Dinge zu Ende zu denken, also wie ihr es jetzt irgendwie schon wieder ziemlich verallgemeinert, ne, aber.

00:15:40: Wenn man manche Sachen zu Ende denkt, wären die Konsequenzen so groß, dass man lieber doch nichts macht, ne? Und das ist dann lieber hektisch auf der Stelle rennen,

00:15:47: als ja wirklich darüber nachzudenken, ob was passieren kann. Da droht aber leider dann immer eine Verengung von Handlungsspielräumen und wenn ich das jetzt als Historiker mit vergangenen Zeiten, die ähnlich

00:16:00: transistiv sind zwischen verschiedenen Gesellschaften sehe, dann ist das schon so, dass das immer mehr in Richtung eines Fatalismus geht, weil irgendwann hat man sich so lange an der Industriegesellschaft festgehalten und ...

00:16:11: Also man sieht ja Olaf Scholz hat damit wieder jetzt auch gewonnen, ne? Also der hat das andauernd gesagt, dass wir eine Industriegesellschaft sind. Ja. Ich glaube, alleine die Zahlen sprechen dagegen.

00:16:21: Aber für mich ist das eine Chance auch für die kleineren Strukturen in den ländlichen Regionen, dass die halt sozusagen Orte werden können,

00:16:31: in denen solche Sachen ausprobiert werden. Weil wir sehen ja gerade, dass aus den Ballungszentren durchaus die, die 

00:16:36: auch häufig das Herz am richtigen Fleck haben, dann in die Region gehen und da kann sein, dass sich da tatsächlich so ein Ökosystem bildet, die viele Sachen ausprobieren und das dann wieder in die Städte zurückgeben. Also das kann ich mir wirklich vorstellen, weil

00:16:48: in Berlin wird sich nicht so schnell etwas verändern, wie man in den kleineren Strukturen darf, an Wandlungsfähigkeit sich vorstellen kann.

00:16:56: Mhm, das mag sein. Für alle, die sich wundern, also Joachim ist ein bisschen rausgeflogen, also das ist nämlich auch ein großes Problem mit dem ländlichen Raum. Joachim sitzt ja nun in dem Flecken,

00:17:07: wenn du den Breitbandatlas dir anschaust im Internet, dann ist das der Fleck, der die geringste Breitbanddichte hat.

00:17:15: Und wir versuchen ja immer über Satellit das zu richten, aber offenbar ist er

00:17:21: jetzt rausgeflogen, aber wir machen ja einfach weiter und schauen, dass wir das im Laufe der

00:17:28: Podcast-Reihe irgendwann gefixt bekommen. Sag mal, ihr habt ja auch dieses Projekt "Digitale Dörfer" sehr früh, irgendwie nach 2014, glaube ich, auch gestartet.

00:17:38: Wenn du so da zurückblickst auf diese Entwicklung,

00:17:43: was ist sehr gut gelaufen oder was würdest du auch heute noch so machen und was denkst du 

00:17:52: rückblickend, dass man nur so in dem Moment dieses konzeptionelle Verfahren aufgesetzt hat,

00:18:02: weil man da so dachte, vielleicht könnte es so funktionieren. Ja, da kommt Joachim gerade wieder rein!

00:18:11: Ja, also es ist schon alles immer noch sehr im Werden, ne? Und ich glaube halt auch nicht, dass wir irgendwann

00:18:21: genau wissen, wie wir's machen können, weil es einfach überall zu unterschiedlich ist und ich auch eher ein Verfechter der

00:18:27: überall kleineren Transformationen bin, die ineinander greifen müssen, ne!

00:18:32: Insofern kann auch vieles, was ich komisch fand, ich habe zum Beispiel Frederick Fischer, der war vor ein paar Jahren bei mir und hat mir seine Idee erzählt. Und ich hätte es niemals geglaubt!

00:18:42: Und jetzt, erzähle ich das jedem und jeder und ich sehe das als leuchtendes Beispiel.

00:18:49: Das heißt, ich habe da schon, ich will mich da nicht verheben, ne. Ich glaube, es ist halt ein großes Ausprobieren.

00:18:55: Und es war halt erstens ein Landesförderprogramm, das war auch ein großer Vorteil, weil man vor der eigenen Tür gekehrt hat und sozusagen auch die Leute, die ...

00:19:03: Von uns waren ja tatsächlich am Anfang manchmal mehrere Tage Leute vor Ort aus unserem Institut, Entwickler, die dann Feedback sofort umgesetzt haben und die haben halt auch dieselbe Sprache gesprochen.

00:19:13: Mach mal grade für die, die das nicht kennen, das Projekt, mal grade einen Zweizeiler, worum ging's bei "Digitalen Dörfern"?

00:19:20: "Digitale Dörfer" war ein Landesförderprogramm von Rheinland-Pfalz, das aufgesetzt wurde und wir haben noch unseren eigenen Teil dazu beigegeben, um die Entwicklungskosten dann auch mit beizusteuern.

00:19:30: Da wurden verschiedene,

00:19:32: vor Ort auch, verschiedene Lösungen getestet, die gemeinsam davor priorisiert wurden, mit den Leuten vor Ort und das war zum Beispiel in Betzdorf Gebhardshain, da ist die Sarah Brühl auch sehr bekannt geworden, mit der ich viel gemacht habe.

00:19:44: Das Erste war sozusagen,

00:19:48: was ja immer noch ein Reflex ist, was kann man für den Einzelhandel tun? Und dann sozusagen eine Einzelhandelsplattform gebaut, mit einer Mitnahmelogistik kombiniert, sodass man sozusagen auch 

00:19:59: Leuten das Paket ins Restaurant bringen konnte, nach Hause, dass man wieder mehr miteinander haben konnte. Es wurde eine Paketstation für den Rewe gebaut aus einem Ikea-Regal.

00:20:09: Wir haben gezeigt, dass man mit RFID-Chips auch im Prinzip ohne Kassierer in Dorfläden einkaufen gehen könnte und das war auch schon 2015 und jetzt

00:20:17: feiert sich Amazon dafür in London.

00:20:20: Das war einfach nur laufend zeigen, was geht und dass man selber dann entscheiden muss, was man will. Und dann wurden halt immer verschiedene Lösungen weiterentwickelt über die Jahre.

00:20:29: Die Vision dahinter war einfach, dass die alle sozusagen eine gemeinsame technische Basisinfrastruktur haben, sodass alles in den großen Pool eines digitalen Ökosystems fließt, auch wenn verschiedene Kommunen an verschiedenen Lösungen arbeiten, dass dann alle davon profitieren.

00:20:44: Und das heißt man sozusagen dann diese Insellösungen, der schöne Veranstaltungskalender für ein zweitausend Seelendorf zum Beispiel, der nur dort funktioniert. 

00:20:55: Das war im Prinzip die Vision dahinter und eigentlich war das auch mal, dass wir damit ein Ökosystem bauen, auf das Unternehmen dann zugreifen und einfacher ihre Produkte dann lizenzieren können, weil Payment 

00:21:05: und so was alles schon vorhanden ist. Aber das funktionierte nicht, weil jeder wie auch jetzt immer selber die eigene Plattform sein will.

00:21:13: Und so kamen wir dann dazu, dass wir selber so Lösungen wie Dorffunk und Dorfnews erarbeitet haben, die jetzt

00:21:19: bundesweit genutzt werden und wegen der während der Corona-Zeit wirklich viele,

00:21:24: ja zigtausende an neuen Usern gefunden haben und ganze Bundesländer haben das lizenziert für ihre Kommunen. Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und so. Da gibt's wirklich immer mehr.

00:21:35: Und das ist einfach durch Zufall entstanden, weil wir immer an Projekten weitergearbeitet haben.

00:21:40: Insofern ist das schon ein tolles Beispiel, ne?

00:21:45: Okay! Damit sind wir ja bei der Wissenschaft jetzt angekommen. Fraunhofer ist ja sehr stark Wissenschaftsgetrieben. Welchen Einfluss hat denn die Wissenschaft auf diesen ganzen Prozess der

00:21:58: Transformation auch des ländlichen Raumes. Wie ist so deine Einschätzung, Gerald?

00:22:03: Ja, ich bin dann tatsächlich ein Verfechter von Wissenschaft und Förderprogrammen.

00:22:09: Weil sie mehrere Vorteile haben. Erstens können sie, wenn die Förderprogramme richtig sind, wie es jetzt mittlerweile in diesem zumindest in diesem BMI-Förderprogramm der Smart Cities ist,

00:22:20: sozusagen sich bei den Kommunen bewerben auf die Themen, die die Kommunen wollen, ne? Das erfordert natürlich aber auch Kommunen, die auch

00:22:28: das Know-how haben, die richtigen Fragen zu stellen, ne. Dann gelingt es gut.

00:22:34: Und das andere ist, dass sie halt einfach satzungsgemäß bestenfalls gemeinwohlorientiert und technologieneutral sind und nicht

00:22:41: vordringlich Produkte verkaufen wollen. Dass sich das manchmal überlappt,

00:22:50: zugegeben, dass auch die Open Source Debatte noch nicht völlig durch ist, ist auch zugegeben. Aber das ist ja eben mittlerweile so eine Bullshit-Bingo-Debatte geworden, was, wie man abhängig ist jetzt von welchen Sachen und so.

00:22:59: Also das heißt die Gemeinnützigkeit, Neutralität, mit der sollte man dann schon spielen, es braucht halt nur selbstbewusste Partner.

00:23:07: Und um Sachen zu testen und Geschäftsmodelle zu hinterfragen und zu modellieren sehe ich das ganz wunderbar, aber das heißt, wir müssen mehr an Transfer 

00:23:17: und mit Partnern mit Augenhöhe dann arbeiten, ne.

00:23:21: Nun ist das ja alles eine sehr techniklastige Welt, diese ganze smarte Kultur, die wir da versuchen 

00:23:31: mit aufzubauen. Inwiefern,

00:23:34: können denn andere Wissenschaften da mitwachsen oder inwiefern wachsen sie mit, um das auch adäquat begleiten zu können in ihren jeweiligen Fachdisziplinen?

00:23:47: Ja also überall da, wo für mein Verständnis, wo Technologie auch,

00:23:52: ins Leben eingreift und in Interaktion zwischen Menschen ist es für mich sozusagen auch eine soziale Komponente. Das heißt, die Soziologie, die Psychologie, die Geschichte eh, würde ich sagen als Historiker, sind da extrem drin wichtig, weil

00:24:07: wenn man Zukunft modelliert und testet und über Geschäftsmodelle sich Gedanken machen will,

00:24:13: über humanistische, nachhaltige Zukünfte des menschlichen Selbstbildes et cetera, was ist gutes Leben, was ist gute, erfüllende Arbeit.

00:24:21: Das sind alles Dinge, auch wenn alle CEOs sagen, wir haben keine Zeit jetzt auf das Jetzt zu gucken und die Vergangenheit, wir müssen in die Zukunft schauen.

00:24:29: Ich glaube, wenn man vordenken will, muss man

00:24:32: nachdenken und deswegen, wer verstehen will, wo wir jetzt sind, muss wissen irgendwie auch wer wir waren und dann kann man auch entscheiden, wer man sein will. Das heißt, ich möchte viel mehr, dass die ganzen Geisteswissenschaften mit in die Debatten reingehen. 

00:24:47: Ja, aber inwiefern sind die auch bereit dazu, die wirklich digitale Transformation auch in der Tiefe zu verstehen? Also ich merke so in den Diskussionen auch heute Vormittag wieder, dass  

00:25:00: die das doch

00:25:02: immer sehr verkürzt wahrnehmen. Dann werden die sozialen Medien, werden dann nur so als Fake-News-Schleudern wahrgenommen und insofern sind die

00:25:12: böse und sowieso amerikanisch und es ist ja nichts für uns. Und dann haben wir diese KI-Debatte, da fällt

00:25:20: standardmäßig immer, dass KI ja einen Bias hat und dass man da sehr vorsichtig sein muss. Also das haben sie dann gelernt, die zwei Aspekte und damit

00:25:29: sind sie dann auch so am Ende ihrer Argumentationslinien. Um wirklich zu verstehen, was eine Kultur der Digitalität bedeuten könnte und ...

00:25:38: Was ist die Kultur der Digitalität? Das wäre ja eine spannende Frage jetzt auch vielleicht den Hörern zu beantworten.

00:25:47: Ja, das ist Felix Stalder. Er macht es fest an der Referentialität. Also, dass wir in dezentralen Netzwerken dann arbeiten und wechselseitig auch aufeinander referenzieren.

00:26:01: Und dann die Gemeinschaftlichkeit, dass wir gemeinsam auch an Themen dann arbeiten und die Algorithmizität, also dass wir halt auch die Algorithmen mitdenken.

00:26:11: Und diese drei Facetten zeichnen eigentlich die Kultur der Digitalität in meinen Augen ab,

00:26:21: die mit dem Web 20 aufkamen, also 2005 sich manifestierte bis 2015. Ich würde heute schon fast

00:26:31: mehr so Arnim Nassehi - Digitalisierung als Spiegelbild unserer Welt - und dass die Daten uns ermöglichen, Muster zu erkennen, die wir mit bloßem Auge nicht sehen können.

00:26:44: Da würde ich jetzt eher hin tendieren, aber, ne ...

00:26:47: Also, was mir persönlich immer so ein bisschen fehlt bei vielen, und ich habe jetzt gerade vor ein paar Tagen ein Interview gelesen, mit Hartmut Rosa,

00:26:57: und der auch wieder nur über diese Streaming-Plattformen da sich mokiert und ablästert,

00:27:04: anstatt wirklich  - mir wird zu wenig, mir werden zu wenig die Potenziale gesehen, die in der Digitalisierung auch stecken.

00:27:12: Die müssten dann eben aber auch kommuniziert werden. Das war eigentlich meine Frage auch zu der Kulturfrage.

00:27:17: Ja, aber da muss ich zurückfragen noch - und das hätte ich auch gerne von euch beiden beantwortet. Ihr seid ja nun auch

00:27:24: älter als ich und habt mehr gelesen. Ich hab nicht so diesen Reflex, dass ich mich zu allem äußern kann und ich meistens denke, ich müsste mich zwei Wochen zurückziehen, ne? Aber 

00:27:34: für wen sind denn die Potenziale da? Da muss ich wieder in dieses soziologische Kulturthema gehen und auf, ja ...

00:27:42: Wer ist denn jetzt noch der, der von irgendwas davon profitiert und ist es wirklich nur, dass 

00:27:48: die Wissensgesellschaft, die ist doch nur noch ein Teil sozusagen der Elite, im Prinzip, ne! Die Mittelschicht darunter, die alte, gibt's nicht mehr wirklich und wenn, wird sie

00:27:58: sehr infrage gestellt von der neuen Wissensökonomie, die andere kulturelle Identität haben, was,

00:28:05: Status quo angeht, was aber auch das Selbstverständnis von Nachhaltigkeit und gutem Leben angeht. Und wir haben eine,

00:28:11: eine sehr prekäre Servicegesellschaft, die uns in unseren Lockdownphasen mit Pizza und Lebensmitteln beliefert hat, ne?

00:28:19: Und also für wen ist denn jetzt ein goldenes Zeitalter, wenn wir so weitermachen und sagen, wir haben

00:28:25: Unternehmens-getriebene technische Innovation und die sozialen Innovationen sind nur Beiwerk, um das ein bisschen angenehmer zu machen.

00:28:32: Das ist aber genau der Punkt, wo die Transformation ansetzen muss. Du kannst nicht so weitermachen, weil es hat sich so ausdifferenziert, wie du's gerade dargelegt hast, auf der Basis

00:28:41: der Industriegesellschaft und der Strukturierung und Stratifizierung der Gesellschaft. Und du

00:28:48: kannst diese Entwicklungen nur auffangen, indem du wirklich transformativ nachdenkst: Wie können wir

00:28:57: ein lebenswertes Leben für alle ermöglichen? Und es wird nicht in den bisherigen Strukturen möglich sein, das meinte ich ja genau und wir müssen über die Transformation reden und nicht nur über eine Verstetigung des Status Quo.

00:29:11: Richtig, ich habe bei dir im Artikel, da für den Tagesspiegel, auch diesen Begriff der digitalen Transformation gelesen. Was meint ihr damit?

00:29:21: Das ist der Artikel von Gerald. Von Gerald, ja! Den nehmen wir noch mit in die Shownote rein - zur Daseinsvorsorge.

00:29:29: Gerald? Ja, das ist für mich, also. Ja, ich versuche mal, also für mich ist das ein digitales Zeitalter im Prinzip und das ist gerade 

00:29:37: diese Zwischenphase, dass wir uns 

00:29:40: aus dieser ja Spätmoderne noch nicht richtig verabschiedet haben, weil unser Kanzler immer noch das Narrativ der Industriegesellschaft hat. Wir haben Gewerkschaften, die immer noch darauf setzen. Und wir versuchen sozusagen Zukünfte mit den Werkzeugen

00:29:53: auch noch manchmal der Industriegesellschaft zu beantworten, ne? Und das schafft sozusagen diese ganzen Freiräume, in denen die 

00:30:01: Menschen dann auch sich von der Komplexität überfordert fühlen und ja, sowas 

00:30:05: wie Einsamkeit entwickeln, obwohl alles um sie herum rennt und so. Das ist so, das ähnelt sich sehr viel mit den nervösen Krankheiten um die letzte Jahrhundertwende in der Hochphase, ja 

00:30:15: der Industriegesellschaft, ne!

00:30:17: Da hat dann das elektrische Licht und ähm die Automobile, die Automation in den Fabriken, die hat die Menschen krank gemacht und die sind auch wieder mehr aufs Land und ähm ja es gab dann diese ganzen Entwicklungen auch, 

00:30:31: dass man die innenpolitischen Probleme mit äußeren Kraftanstrengungen wieder

00:30:35: wettmachen musste. Die Menschen mussten wieder härter sein, jetzt hören wir gerade von Möchtegern-Philosophen, dass wir auch Probleme damit haben, dass die Leute zu weich und zu sensibel sind. Also da sind schon echt wieder viele Parallelen, die mir da gerade hochkommen.

00:30:49: Das heißt so anzuerkennen, dass 

00:30:53: die Digitalisierung, diese ganzen Transformationsbewegungen, die ich jetzt grade da erklärt habe, mit der Service- und Wissensgesellschaft, natürlich noch viel mehr verstärkt.

00:31:04: Das sieht man ja auch alleine in den sozialen Medien. Um da jetzt Anja wieder zu ärgern, dass das natürlich auch eher in

00:31:11: vermeintliche Singularität und in Abgrenzung und Gruppeneinteilung bindet, anstatt eine gemeinsame Sache zu suchen. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Narrative und den Menschen im Mittelpunkt, den wir immer bemühen und

00:31:24: die enkeltaugliche Zukunft, wenn die nicht noch mal versuchen gründlich zu durchdenken, und

00:31:30: deswegen genau die Frage zu stellen, was müssten wir jetzt ändern und wenn wir konsequent zu Ende denken.

00:31:36: Und darauf habe ich keine Antwort. Ich freue mich gerne, wenn ihr was sagen könnt.

00:31:42: Nee, ich habe auch kein Konzept für die Welt von morgen.

00:31:47: Ich glaube, das geht auch nicht mehr. 

00:31:52: Zukünfte zu modellieren sind ja nur, wenn man es bisschen banal macht, sind es ja Übungen.

00:32:00: Was könnte sein, wenn? Ja, das sind ja eher Szenarien.

00:32:04: Eine Prognostik für 'ne Zukunft kann ich nicht machen. Also, ob da nun Nachhaltigkeit drüber steht oder Digitalisierung oder KI. Lovelok hat's ja probiert und damit 

00:32:18: die menschliche Kultur als menschliche Kultur für die Zukunft ausgeschaltet.

00:32:23: Das sind utopische, ja wirklich utopische Männerentwürfe, die da noch entstehen. Was wir haben, sind Umbruchprozesse, von denen wir nicht wissen, wie die ausgehen.

00:32:37: Wir haben vielleicht grundsätzliche Trends, die man nicht außer Kraft setzen kann, ja! 

00:32:43: Aber was ist dann die Alternative? Also, ich habe jetzt versucht für mich zu entscheiden, dass ich dann einfach versuche mit einer anständigen Analyse meiner Möglichkeiten und Reflexionen

00:32:55: die bestmöglichen nächsten Schritte zu machen! Ja, richtig! Ähm, und das besser zu machen und andere dazu auch aufzufordern. Weil, da hatte ich mit Anja schon mal, die Suche nach der großen Transformation ist wie dieser 

00:33:08: Wunsch, wir brauchen mal wieder einen großen Knall, damit sich die überreifen Gesellschaften neu justieren können, ne? Also, wir suchen ja nicht Revolution.

00:33:17: Nee, aber die, ich meine dieser Knall, der tritt ein oder tritt nicht ein!

00:33:21: Das ist ja nicht, überhaupt nicht, steuerbar, wie das Ganze ja nicht steuerbar ist. Also im praktikablen oder im praktischen Sinne, folge ich deiner Vorstellung sofort, zu sagen, ja, ich muss gucken, was denn gerade da passiert, um mich darauf, so fehlerarm wie möglich, einzustellen und zu machen.

00:33:36: Dennoch scheint es - und das ist natürlich eine ganz andere Ebene - 

00:33:44: in der Psyche einer Gesellschaft, nicht unwichtig zu sein, die sogenannte große Erzählung zu haben, irgendeine jedenfalls.

00:33:52: Wo es dann hingehen sollte und könnte. Ansonsten ... Genau! Und das zweifle ich an, weil wir halt eine ausdifferenzierte Gesellschaft haben, ne? Wenn wir das suchen, daran 

00:34:01: scheitern dann Regierungen, die dann sowas suchen und den großen charismatischen,

00:34:06: Anführer, der alle eint in dem Weg, irgendwie ins gelobte Land und ... Richtig!

00:34:19: mit den ländlichen Regionen und ich glaube, die können in vielen Bereichen kleinere soziale Innovationen zeigen und zeigen wir haben bislang zu viel an Innovationen

00:34:23: auch an Infrastrukturen nur über die Dichte an Menschen definiert und die Geschäftsmodelle und jetzt machen wir das nach den Bedürfnissen der Menschen vor Ort.

00:34:32: Ich kann mir auch vorstellen, dass die Städte bald sehr leer sein werden und dort die ärmeren Leute in einer technisierten Dystopie leben und die anderen Ökolandbau, Permakultur frönen

00:34:44: und dort wieder ganz neue Tourismuskonzepte finden und wie das sich sozusagen so auch ein bisschen verschiebt, ne. Das ist vielleicht auch fürchterlich, aber, ich kann mir 

00:34:52: schon noch vorstellen, wenn auch die ländlichen Regionen wieder

00:34:55: auf neue Bildungskonzepte setzen, wenn die einfach sagen, wir machen 80 Prozent Projektunterricht, wir bauen unsere Schulen, die aussehen wie Kasernen und Polizeihäuser

00:35:04: mal um. Wir machen mehr in der Natur.

00:35:07: Wir machen Unterricht mit Praktikern und nicht mit Physiklehrern, die es in der Wirtschaft nicht geschafft haben, so. Wir begeistern wieder, wir machen keine

00:35:15: innovativen KI-Modelle, die die Schüler überwachen, ob sie irgendwie unaufmerksam sind, sondern wir machen ganz persönlichen, individuellen Unterricht und befördern lebenslanges Lernen.

00:35:27: Wir testen an verschiedenen Orten bedingungsloses Grundeinkommen, was wir auch, glaube ich, wirklich brauchen. Und so wären das Zentren, glaube ich, der Innovation werden können, im Gegensatz zu den Städten.

00:35:38: Dafür musst du aber den Föderalismus abschaffen.

00:35:42: Oder die Macht der Bildungsministerien in den föderalen Ländern.

00:35:50: Um dann Querdenker-Schulen privater Art zu haben, ja?

00:35:53: Ja, es ist auch immer eine Gefahr, ja klar! Ja, der Begriff ist schwierig heutzutage geworden. Da musste ich schon häufiger drüber nachdenken, aber Querdenker-Schulen, das haben wir gerade, glaube ich, nicht.

00:36:08: Ja, du kannst das hier in Mecklenburg anders sagen, dann hast du die Atamanen hier als Schulträger.

00:36:10: Dann bist du nicht so in der Falle, eine von außen gesetzten Definition von störrischen Menschen.

00:36:19: Warte mal, noch mal ganz zurück zu dem ersten, deine Vehemenz gegen die große gemeinsame Erzählung ist ja richtig!

00:36:29: Die Umkehrung, das andere Extrem, ist aber eben eine auseinanderfliegende Gesellschaft, das sind viele divergierende Gruppen, nicht bloß diverse Gruppen, sondern divergierende Gruppen.

00:36:38: Ja, daran bin ich gerade auch am Zweifeln. Und dafür ist im Augenblick noch kein Suchen und kein Nachdenken der Verbindung wieder da,

00:36:47: steht als Aufgabe an. Ist genauso ein Prozess. Also, deswegen trete ich ja dafür ein, dass wir nicht mehr so viel über

00:36:56: Smart City und Smart Region reden, sondern über Daseinsvorsorge. Und ich glaube, wenn wir uns irgendwie darüber einigen, dass es

00:37:01: Grundinhalte geben muss, die technologische Souveränität gewährleisten, die Chancengleichheit im Zugang zur,

00:37:07: ja, zur Bildung und so was geben, dann werden wir durchaus technisch möglich, individuelle, anpassbare, den Lebensumständen anpassbare, weitere Ausgestaltung von Daseinsversorgung haben, die unterschiedlich sein können. Und ich glaube zum Beispiel auch, dass dieser Gedanke auch, wenn 

00:37:21: Europa der Regionen und dass wir, ich glaube, Konflikte entstehen, auf Nationalstaatsebene, aber wenn wir mehr regionale Identität und Originalität auch wieder haben, dann kann das durchaus parallel existieren.

00:37:33: Und nur diese Idee des Nationalstaates, des Geeinten, das ist auch so jung, wenn man über die gesamte Geschichte blickt und hat auch wenig

00:37:40: Erfolg und Heil gebracht in der deutschen Geschichte, ne? Also, warum hält man immer so daran fest, dass man diese willkürlich gezogenen Grenzen unter ein großes Narrativ einen muss? Aber wer ist "man"?

00:37:52: Die Frage stelle ich dir, du meintest ja die große Erzählung. Nee, das sind bloß Alternativen, die in der Gesellschaft diskutiert werden. Die große Erzählung wird gefragt, bei den vielen Bildungsleuten, bei vielen Sozialwissenschaften.

00:38:04: Gerade ein letzter Artikel oder eine Sendung im NDR am Wochenende oder letzte Woche. Ne, das ist die Diskussion, die da ist oder eben ... die 

00:38:16: aber keine Schnittmengen mehr findet. Das ist natürlich ein anderes Risiko.

00:38:22: Aber wir haben ja schon noch ... Da ist politisch vollkommen offen. ... schon noch eine gemeinsame europäisch-kulturelle Vergangenheit. Ich könnte dir jetzt römisches Recht sagen, griechische Philosophie, ne!

00:38:36: Das ist ja eine akademische Diskussion.

00:38:37: Aber die andere Frage nach dem Paradies im ländlichen Raum, die ist nun kräftig zu durchdenken, denn das, was wir da gegenwärtig an Dörfern haben, ist 

00:38:49: ganz sicher in der Zukunft nicht mehr Dorf! Also wir brauchen eine Rekonstruktion von ländlichen Strukturen und ländlichen Kulturen.

00:38:58: Und das ist ganz am Anfang. Keiner hat eine Ahnung. Die Dörfer so wie sie da sind im Augenblick nicht mehr sinnvoll. 

00:39:08: Sind nicht mehr nützlich. Sind Schlafdörfer, ne. Die Leute fahren in die großen Städte. Die Böden gehören nicht den Öko-Bauern, sondern gehören großen Hedgefonds. Zumindest hier in Mecklenburg, Brandenburg auch schon.

00:39:21: Prozesse, die ihr erst mal begriffen - und dann für diese möglichen neuen Innovationen, auch für die entsprechende

00:39:32: demografische Struktur, denn aufgeschlossen werden müssen.

00:39:36: Und das ist im Augenblick, hier um die größeren Städte herum, sicher schon eher da. Aber hier in den ganz ländlichen Gebieten, und das ist in Niedersachsen und Schleswig-Holstein ähnlich, ist das nicht der Fall.

00:39:47: Da ist eine Aufgabe da. Da ist eine ganz große Aufgabe für die Regionalpolitik da.

00:39:53: Die kommunalen Verwaltungen sind unter ausgestattet, packen das nicht, auch intellektuell nicht. Bisher jedenfalls.

00:40:01: Ich finde, das ist ein sehr guter Schlusspunkt eigentlich, über den man jetzt noch ein bisschen länger nachdenken kann.

00:40:08: Weil wir hatten auch gesagt, dass wir so in dem Zeitrahmen hier bleiben. Ich glaube, wir können so, das sind ja wichtige Fragen, die können wir alle mal ein bisschen reflektieren und dann auch zu überlegen, was

00:40:20: bedeutet das eigentlich für das Bildungssystem oder für die Definition von moderner Bildung

00:40:29: im 21. Jahrhundert? Das sind ja alles die Fragen, denen wir jetzt so noch weiter nachgehen wollen. Ich würde sagen, wir setzen jetzt mal einen Punkt.

00:40:38: Vielen Dank, Gerald, für deine Zeit! Vielen Dank für deine wirklich interessanten Gedanken. Ja, vielen Dank.

00:40:45: Und Anknüpfungspunkte, die wir dann ja jetzt immer weiter reflektieren werden, mit unterschiedlichen Gästen.

00:40:52: Vielen Dank, Joachim! Ich würde sagen, macht's gut! Schönen Tag noch! Ciao. Danke!

00:41:02: Das war die erste Folge des Podcast-Schwerpunktes: "Transformatives Lernen im ländlichen Raum". Zu Gast war Gerald Swarat, Co-Vorsitzender des Co:Lab und

00:41:13: Leiter des Kontaktbüros, der Fraunhofer IEE.

00:41:20: Ihr habt gemerkt, es ging hoch her teilweise und wir haben große Fragen, sehr große Fragen, denen wir in den nächsten Folgen nachgehen möchten. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Abonniert den Channel. Teilt ihn mit anderen und passt auf euch auf! Bis demnächst. Schau!

00:41:30: Music.

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