Bernd Kleist: Ländlicher Raum bedeutet auch gemeinschaftliches Handeln

Shownotes

Bernd Kleist ist ein Raumpionier in der Mecklenburgischen Schweiz.

Er beschreibt hier die Vorteile des ländlichen Lebens, spricht von der Bedeutung des Austauschs und sozialen Zusammenhalts in seinem Dorf, wie man gemeinsam älter wird und sich mittels der Nutzung moderner Techniken auch zu helfen weiß.

Eines wird deutlich bei seinen Ausführungen: Bernd ist ein Macher, er löst Probleme vor Ort, gerne in Kooperation mit anderen. Und so entsteht eine Welt der Nachhaltigkeit, des modernen Arbeitens - ein Lebensort, wie er es nennt.

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00:00:00: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des EduFutures Podcast. Die dritte Folge im

00:00:16: Schwerpunkt 'Transformatives Lernen im ländlichen Raum', gemeinsam mit Joachim Borner. Joachim hat

00:00:22: uns Bernd Kleist eingeladen, ein Raumpionier aus der Region der Mecklenburgischen Schweiz. Ich habe

00:00:30: Bernd auch erst über dieses Gespräch kennengelernt und war sehr beeindruckt, wie sich Menschen selbst

00:00:37: organisieren können und welcher Mut dazugehört, welche Fortschrittlichkeit und welches

00:00:44: Schwimmen-vor-der-Bugwelle, die Trendbegriffe kommen erst hinterher und er realisiert erst im

00:00:51: Nachgang, dass das, was sie schon lange betreiben, heute Co-Working ist. Dies ist nur ein Beispiel

00:00:56: von vielen. Es ist sehr erfrischend und sehr interessant. Ich wünsche euch viel Spaß.

00:01:03: So, herzlich willkommen! Hallo Bernd, hallo Joachim.

00:01:09: Hallo. Joachim, du hast einige Fragen

00:01:15: vorbereitet, vielleicht übernimmst du jetzt heute mal den inhaltlichen Leitfaden.

00:01:21: Ja, wir sind hier und senden auch zum Teil aus der Mecklenburgischen Schweiz. Ich musste das

00:01:30: auch lernen und wurde richtig belehrt, dass es nicht Mecklenburgische Schweiz heißt, sondern

00:01:37: Mecklenburgische Schweiz. Das habe ich gelernt, mache ich nicht mehr falsch. Da aus dieser

00:01:44: Gegend senden wir. Und ich frage jetzt Bernd, weil Bernd lange, also schon unendlich lange hier ist.

00:01:51: Was ist denn die Mecklenburgische Schweiz? Was treibt diese um?

00:01:59: Das war eine schöne Begrüßung, ich sage auch mal Guten Tag. Mein Name ist Bernd Kleist und ich

00:02:04: komme aus einem kleinen Dorf, das heißt Gessin, mitten in der Mecklenburgischen Schweiz. Wir sind

00:02:09: 60 Bewohner in diesem Dorf. Und das Kompliment, was du mir gegeben hast. Ja, ich wohne schon

00:02:17: unendlich lange hier, nämlich schon von Geburt an und das sind mehr als 60 Jahre. Vielen Dank

00:02:23: für das Kompliment. Dass es schon so unendlich scheint. Ein bisschen über sechzig ist toll.

00:02:30: Dein Pfarrer macht es auch schon. Ja, das ist alles schon in Ordnung. Was ist

00:02:38: das Besondere? Das Schöne daran ist, dass man die Entwicklung so mitgemacht hat und dass es

00:02:45: eigentlich eine schöne Entwicklung ist. Auch wir im ländlichen Raum haben nicht nur alles

00:02:50: zu beklagen, sondern es sind auch schöne Seiten entstanden. Bei uns, in unserer Region ist es vor

00:02:58: allen Dingen die Ruhe und die wenigen Menschen, die da sind. Dass es auch ein Lebensraum ist,

00:03:07: der durchaus interessant ist, wenn man das sucht und wenn man es braucht. Es ist nicht alles

00:03:12: schlecht und es ist vor allen Dingen nicht alles schlecht. Was aber damit in Verbindung steht,

00:03:18: sind die unendlich langen Entfernungen. Wir sind immer unterwegs, ob wir zum Arzt wollen oder zum

00:03:25: Einkaufen wollen oder zur Kultur wollen. Die Wege, das ist schon ein Problem. Und ansonsten

00:03:33: haben wir eine gute, direkte Beziehung in der Nachbarschaft. Bei 60 Seelen ist das besonders

00:03:40: interessant. Man kann das immer vergleichen mit der evolutionären Entwicklung einer Sippe oder

00:03:45: einer Horde. Die haben auch mit wenig Hierarchien auskommen können. So gibt es in einem Dorf mit

00:03:54: ungefähr 60 Einwohnern keine Hierarchien. Das organisiert sich sehr oft, sehr alleine und sehr

00:04:00: gut eigentlich. Insofern ländlicher Raum, ich kann jetzt nicht immer ganz so mit weinen. "Oh,

00:04:06: wir Armen, wir Verlassenen, wir in der Steppe und hinterm Berg. Es ist interessant im ländlichen

00:04:13: Raum zu leben. Aber was war deine Frage? Na ja, wenn du so anfängst, dann schon. Ich meine,

00:04:21: du hast gerade ein Fass aufgemacht. Das ist dieses Lagerfeuer. Ich meine jetzt nicht das Romantische,

00:04:27: wo 60 Leute rum passen. Gerade so viel, sondern dann auch genau das, was du hier benennst,

00:04:34: dieses Miteinander reden in dieser Größenordnung, in dieser Gruppe kannst du miteinander reden. Du

00:04:42: kannst auch zuhören. Und das macht natürlich ungemein viel aus. Wenn man sich Tag für Tag

00:04:50: neu orientiert. Da ziehe ich mich ganz dick an. Nein, wie kommen wir jetzt durch die nächste Zeit,

00:05:00: auch wegen Corona, aber es ist ein Treffpunkt, ein Gesprächskreis da. Das ist in anderen Dörfern

00:05:08: nicht so sehr. Also in dem Dorf 30 Kilometer entfernt, da wo ich jetzt hier bin, sind da

00:05:15: deutlich weniger. Und wir treffen uns hier auch nicht so. Hat auch mit der Geschichte zu tun.

00:05:22: Ich wollte auch gar nicht sagen, dass man hier leidet und klagt, das ist nicht der Fall. Aber

00:05:32: es ist natürlich schon etwas, was sich deutlich unterscheidet, wenn man in eine Stadt geht,

00:05:42: in eine größere Stadt, nicht nach Malchin, du hast eine diverse Struktur. Ganz verschiedene verrückte

00:05:54: Typen sind dann nebeneinander. Hier gibt es auch verrückte Typen, aber die sind mal da,

00:05:58: mal da, mal da und dann hast du eine relativ homogene Struktur. Jedenfalls empfindet man

00:06:06: das so. Eine homogene Struktur, die sich auch entsprechend artikuliert. Worauf ich eigentlich

00:06:14: hin will, ist: Wie kriegen wir denn eigentlich hier unsere Ideen her, bei dem, was nun ansteht?

00:06:20: Und anstehen tut im Augenblick eine Menge. Hier bei mir um die Ecke rum, die Felder waren in den

00:06:28: letzten Jahren total trocken. Die Bauern sagten, wir müssen hier unsere Bepflanzung auf den Feldern

00:06:37: anders machen. Dann kommt der Begriff diese Agroforstwirtschaft. Oder die andere Ecke rum.

00:06:43: Da geht es um die Moore, die wieder vernässt werden sollten und wo man suchen muss. "Ja,

00:06:52: wie kann ich als Bauer denn eine Wiese vermessen? Dann stehen doch meine Kühe im Wasser. Was für

00:07:00: andere Existenzmöglichkeiten habe ich denn dann?" Worauf ich hinaus will ist zu fragen: Ja, wenn wir

00:07:08: hier so viele Umbrüche haben. Wie gehen wir denn damit um, wenn eigentlich dicke Universitäten und

00:07:18: große Hochschulen gar nicht in der Nähe sind, die uns mit solchem Wissen beliefern könnten?

00:07:27: Du machst jetzt den großen Exkurs mit mir. Wir wollen die

00:07:31: Welt verbessern, ich merke das schon. Wir wollen überleben. Das ist simpel.

00:07:35: Sieh es als Nachbar oder Nachteil oder Vorteil. Die Welt um uns herum ist wesentlich

00:07:45: kontaktfreudiger als in der Stadt, was man kaum glaubt. Wenn man es als Fremder nach Mecklenburg

00:07:49: kommt, denkt man: Oh, welch Stursinn, bis ich da so hineinwachse und so weiter. Aber wenn du die

00:07:56: Anonymität suchst, dann ziehe in die Stadt und suchst du die Nachbarschaft, gehe aufs Dorf. Ich

00:08:02: glaube, die Nähe, die uns dann doch verbindet, auch wenn wir einen weitläufigen Raum haben,

00:08:08: ist, dass wir uns kennen und dass man Probleme einfacher bereden kann. Das ist es vielleicht.

00:08:13: Und dass es nahbare Probleme sind, die man im kleinen Raum besprechen kann. Im Kerne seid ihr

00:08:21: auch dafür erprobt und geübt Gespräche zu führen. Und das ist nicht der große politische Raum, das

00:08:27: ist die Nachbarschaft, die da mit euch spricht. Ich glaube, dass es nicht von Nachteil ist im

00:08:32: ländlichen Raum durchaus auch solche Probleme anzusprechen. Der Grad der Organisation ist viel

00:08:37: schneller zu machen, wenn man was machen möchte. Es setzt sich natürlich voraus. Die Probleme,

00:08:46: die du aufmachst, können wir in unserem großen Raum viel kleinräumiger diskutieren.

00:08:55: Und machen wir das auch? Ich frage dich als Journalist von draußen.

00:08:59: Ach herrje. Es muss natürlich immer die Menschen geben, die bereit sind,

00:09:05: darüber zu reden. Insofern, wenn du das Publikum nicht hast, kannst du dich auf den Kopf stellen.

00:09:12: Die Unmittelbarkeit der Problemlage wird nun doch schon bekannter. Wir haben vor 20,

00:09:18: 25 Jahren, so lange kennen wir uns auch schon, mit Umwelt und Klimaproblemen zu tun gehabt. Da

00:09:24: war die Welt noch ganz weit weg. In den letzten Jahren ist es aber nahbarer geworden. Und wenn

00:09:30: es nur die Einfachheit ist. Ich mache das mal plastisch. Mein Nachbar spricht mich an und sagt:

00:09:39: Wir wollen uns ein neues Auto kaufen. Auch meinem Hof stehen 4 Elektroautos. Ich habe

00:09:50: eine Schnellladesäule und wir produzieren den Strom vom Dach und puffern den Strom auch noch

00:09:54: zwischen. Vor Jahren war ich der Exot, wo man das Lächeln hatte, wenn ich mit meinen Elektroautos

00:10:01: hier durch die Gegend gefahren bin und auch mal liegen blieb. Diese kleine Begegnungen, die ich

00:10:07: da hatte. Der Nachbar sagt, er möchte sich ein neues Auto kaufen. Das ist schon mal lustig. Das

00:10:17: ist die Nahbarkeit, die Nachbarschaft, die dann einfach darüber redet. Wenn ich beiläufig erzähle.

00:10:25: Mittlerweile ist das gar kein finanzielles Problem mehr oder überhaupt gar keine finanzielle Frage

00:10:32: mehr sich eine PV-Anlage aufs Dach zu schrauben, weil jeder, der ein bisschen rechnen kann, weiß,

00:10:38: er produziert Kilowattstunde Strom vom Dach. Sagen wir mal rund um die 10 Cent,

00:10:43: vielleicht noch ein bisschen preiswerter. Wenn du die Kilowattstunde kaufst, dann bezahlst du

00:10:48: mindestens 30 Cent. Das ist nicht die Frage, ob sich das rechnet und ob das sinnvoll ist,

00:10:52: sondern mittlerweile steht doch die Frage: Wie schnell bekomme ich einen Handwerker,

00:10:56: der mir diese PV-Anlage aufs Dach schraubt? Das ist jetzt die Frage.

00:11:01: Genau. Und dann ist es doch lustig, wenn Nachbarn dich fragen: Kennst du da eine Firma? Oder

00:11:06: was hälst du von Mietmodellen? Fragen, die ich selbst nie aufgemacht habe. Ich habe gedacht: Die

00:11:13: PV-Anlage, die schraube ich mir selbst drauf und die finanziere ich auch alleine. Da mache ich kein

00:11:17: Miet-Modell. Nachbarn machen sich aber Gedanken darüber. Und wenn es dann nur leise ist, durch

00:11:22: indirekte Fragen. Ich glaube, die Nachbarschaft, die so entsteht, die so das Diskutieren gewohnt

00:11:30: ist, die Probleme ansprechen, die finden auch ganz schnell Lösungsansätze für dich. Das

00:11:36: Beispiel PV und Elektroautos. Es gibt natürlich viel gravierendere Probleme. Das weiß ich schon.

00:11:41: Aber wenn wir auch in der Nachbarschaft darüber reden, wir sind ein Bauerndorf. Vielleicht darf

00:11:47: man das mal Leuten aus der Stadt erklären. Man denkt immer, alle Dörfer in Mecklenburg sind

00:11:51: Bauerndörfer, weil überall Bauern rumlaufen. Mitnichten. Mecklenburg ist eigentlich ein

00:11:56: gutsherrliches Land. Diese Gutsstrukturen, die bis 1945 so waren, haben wir eigentlich nie so

00:12:03: richtig überwunden. Nach den ??? war mal 10 Minuten Freiheit, eigentlich mehr oder

00:12:10: weniger die Bodenreform, durch die Ernährungslage gesichert wurde. Aber kaum war die Ernährungslage

00:12:15: gesichert, sind große Kolchosen entstanden. Sprich landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften.

00:12:21: Und die sind in dieser Struktur so geblieben, auch nach der Wende. Sie haben jetzt vielleicht

00:12:27: einige andere Eigentümer, die mit viel Geld aus dem Westen hier Land aufgekauft haben. Das

00:12:32: ist eine Problemlage für sich. Aber so richtige Bauern, die mit eigenen Höfen, Wirtschaften haben,

00:12:39: das gibt es ganz selten. Wir sind tatsächlich ein Bauerndorf, wo jeder von uns um die 20,

00:12:46: 30 Hektar hat. Interessanterweise haben wir auch noch in Gemeinschaft eine Allmendefläche.

00:12:51: Da trefft ihr euch dann im Herbst immer? Bei der Allmende müssen wir zum Beispiel darüber

00:12:58: reden, wie wir sie denn wohl gemeinschaftlich bewirtschaften. Womit wir sie bewirtschaften.

00:13:03: Insofern dieses bäuerliche Leben. Und dieses bäuerliche Leben bringt uns eine ganz enge

00:13:12: Nachbarschaft. Wir müssen also viele Sachen miteinander bereden und das macht die Sache

00:13:16: für uns natürlich leichter, wenn wir auch andere Problemlagen anfassen. Und du kennst

00:13:21: unser Dorf. Wir haben vor einigen Jahren die Diskussion geführt und das ist nicht prosaisch

00:13:27: gemeint, sondern meine Nachbarin zur Rechten, die sagte, als wir um die 50 waren und wir so

00:13:32: langsam daran dachten, dass wir älter werden: Was brauchen wir denn alles, um hier bleiben zu

00:13:37: dürfen? Die Anja wohnt in der Stadt. Sie kann sich die Frage gar nicht vorstellen. Was brauchen wir

00:13:43: Menschen auf dem Dorf, um hier bleiben zu dürfen? Ich sage ganz klar, welcher Zeitpunkt gemeint ist,

00:13:48: nämlich dann, wenn wir älter werden oder wenn wir alt werden. Wenn wir also ins Greisenalter

00:13:53: gehen und wir, die immer Freiheit gewohnt um uns herum haben, große Höfe, große Häuser,

00:14:00: sollten uns eines Tages daran gewöhnen, in einen Schuhkarton zu ziehen, der da Altersheim heißt in

00:14:06: einer Stadt. Ein großes Problem für uns Menschen. Eine einmal ganz furchtbare Sache. Ja, das ist

00:14:14: wirklich furchtbar. Das kann sich gar keiner vorstellen, wenn wir in so einem Schuhkarton

00:14:18: hausen müssten. Und Bewohner eines Schuhkartons werden. Deswegen diskutieren wir offen solche

00:14:27: Themen wie: Was brauchen wir dann alles, um hier bleiben zu dürfen? Und du kennst die Entwicklung.

00:14:32: Du beobachtest uns nicht als Reporter, sondern als Freund. Da war es vor vielen Jahren so,

00:14:39: wir brauchen einen gemeinschaftlichen Raum. Wir brauchen den natürlich, um zu feiern. Wir brauchen

00:14:46: den aber auch, um uns zu treffen oder damit unsere Kinder eine sinnvolle Nachmittagsbeschäftigung

00:14:52: haben. Oder oder oder. Und da lag es sehr nahe, dass wir gesagt haben, das wird uns

00:14:57: schon keiner machen, in einem 60-Seelerndorf. Zumal wir auch nur ein Ortsteil einer großen

00:15:04: Gemeinde sind und bestimmt nicht der bedeutendste Ortsteil, sondern sicherlich der kleinste und von

00:15:09: der Bedeutsamkeit sicherlich nicht so hoch angesiedelt. Ländliche oder landwirtschaftliche

00:15:16: Restgebäude haben wir noch. Da lag es doch sehr nahe, dass wir uns gemeinschaftlich dieses

00:15:23: Dorfhaus aus einem alten Pferdestall gemeinsam errichtet haben. Und wenn jetzt die C-Zeit nicht

00:15:30: wäre. Vor dieser C-Zeit hatten wir tatsächlich eine hundertprozentige Auslastung, jeden Tag

00:15:35: irgendetwas von Yoga und Wirbelsäulengymnastik und Computerkurse und wöchentlich Kino, einen

00:15:45: täglichen Mittagstisch. Alles gute Gründe, die wir aufgebaut haben, um hier bleiben zu dürfen.

00:15:51: So ein Mittagstisch ist etwas ganz Elementares. Die Hauptbesucher dieses Mittagstisches waren

00:15:58: Menschen, die alleine lebten und älter waren, aber auch die hier natürlich in diesem Dorf arbeiten.

00:16:05: Und das sind nicht wenige Menschen, wenn man einen Bauern braucht. Jahre später ging die Diskussion

00:16:12: weiter und wir haben gesagt: Was braucht man noch alles, um hier bleiben zu dürfen? Und dann kam die

00:16:18: Lösung relativ schnell. Ja, wir brauchen was vom Einkaufen. Das größte Problem von älteren Menschen

00:16:23: ist die fehlende Mobilität eines Tages. Das ist bei uns nicht besser als woanders. Der ländliche

00:16:29: Raum ist also durch mit dem ÖPNV nicht gut besetzt. Das weiß man ja. Und welch Unsinn auch,

00:16:36: wenn jeder Mensch vom Land in die Stadt fährt, um einzukaufen. Man fährt von dort aus los,

00:16:42: wo die Lebensmittel produziert werden und kauft sie in einer Stadt. Irgendwie ist das

00:16:47: schon komisch. Und wir errichteten dann einen Laden. Und jetzt sagt man auch: Wie bekloppt

00:16:54: ist denn das in 60-Seelendorf kann sich doch kein Laden halten. Ja, jetzt gibt es diesen Laden schon

00:17:00: 10 Jahre und siehe da, es gibt ihn immer noch. Was will ich damit sagen? Wenn man Probleme hat,

00:17:08: kann man die natürlich aufbauschen. Man kann natürlich auf dem Marktplatz demonstrieren und

00:17:12: sagen: Wir sind die Guten, ihr seid die Bösen. Das erleben wir ja jeden Tag. Man kann aber auch die

00:17:17: Probleme als Aufgabe verstehen und das kann man gut in der Nachbarschaft, in einem ländlichen Raum

00:17:24: machen, weil man sich kennt, weil man nicht anonym lebt, weil man die Biographie des Nachbarn kennt,

00:17:30: die Kinderkrankheiten, der Nachbarfamilie. Man kennt, wenn auch nicht auf Heller und Pfennig,

00:17:36: den Kontostand des Nachbarn. Man kennt also auch seine finanzielle Lage und seine finanziellen

00:17:40: Nöte. Und das alles zusammengebracht bringt ein gutes Klima der Nachbarschaft,

00:17:47: dass man dann auch solche Themen bereden kann, die ein Einzelner nicht lösen kann, ohne dass

00:17:52: wir den politischen Background einer Gemeinde zum Beispiel haben, die sich dann besonders

00:17:56: dafür interessiert, Probleme zu lösen, die sich um das Hierbleiben drehen. Und es stehen Fragen an,

00:18:05: die wir auch lautstark diskutieren. Unter anderem, jetzt kommen wir mal zur Problemlage

00:18:09: im ländlichen Raum, die medizinische Versorgung ist natürlich sehr schwach. Wir haben Hausärzte,

00:18:17: wir haben sehr wenig Spezialisten und statistisch gesehen benutzen Menschen von den Dörfern auch

00:18:24: viel weniger therapeutische Dienstleistungen, weil es einfach zu kompliziert ist, in die

00:18:31: Stadt reinzukommen. Du bist also wegen einer, nehmen wir den Physiotherapeuten, wegen einer

00:18:37: Viertelstunde Physiotherapie den ganzen Vormittag unterwegs. Das sind so Probleme, wo ich sage:

00:18:42: Da müssten wir noch handeln. Quasi medizinische Dienstleistungen, therapeutische Dienstleistung,

00:18:48: näher in die Fläche in Laufnähe bringen. Oder in Fragen der Mobilität. Nicht alles kann man

00:18:58: in einem kleinen Dorf vorhalten. Das kann man gemeinsam lösen. Und auch da kennst du uns, wir

00:19:05: haben auch nicht lange überlegt. Wir leisten uns also gemeinschaftlich ein Minibus hier in diesem

00:19:10: Dorf. Auf Neudeutsch nennt man das Carsharing, wo sich die Nachbarschaft ein Auto teilt,

00:19:17: indem sie sich das gemeinsam angeschafft hat. Dass wir die, die nicht mehr fahren können,

00:19:23: auch von A nach B fahren können. Und dieses Auto hat eine kleine Besonderheit. Das hat hinten eine

00:19:28: große Klappe, die wir da noch verändern ließen, dass man auch mit einem Rollstuhl reinkommt.

00:19:33: Ein ganz großes Problem im ländlichen Raum ist, wenn man schon an den Rollstuhl gefesselt ist.

00:19:39: Du kommst nicht in diesen Bus hinein, weil ein Bus im ländlichen Raum Treppen oder Stufen jat. Solche

00:19:45: einfachen Geschichten. Das sind so Fragen, die man gut erläutern und erörtern kann. Und wenn man sich

00:19:52: kennt in der Nachbarschaft, wenn man einfach zusammenrückt und das nicht auf irgendjemanden

00:19:58: schiebt und jemanden dafür verantwortlich macht, sondern einfach sagt: Lass uns darüber reden. Da

00:20:03: gibt es bestimmt eine Lösung. Das Schöne an so einem Bauerndorf ist, dass es tatsächlich

00:20:07: noch Bauherren gibt. Das hilft auch in der Nachbarschaft. Wir haben also drei Höfe, die nach

00:20:13: der Wende wieder angefangen haben. Die produzieren hier, die haben Angestellte, die haben Technik,

00:20:19: das man auch gerne mal ausborgen kann. Wie schön ist es, wenn man sich mal ein Bagger borgen kann

00:20:26: oder einen Traktor borgen kann. Oder wenn man gemeinsam Holz macht oder solche einfachen

00:20:30: Geschichten. Das muss nicht immer Geld kosten. So ein Bauerndorf hat auch wirklich tolle Vorteile.

00:20:36: Es macht Riesenspaß auch im Dorf zu wohnen. Ich kann also gar nicht so richtig mitweinen

00:20:45: oder mitheulen. Klar haben wir Probleme. Aber das sind doch eher Aufgaben, die man angehen sollte.

00:20:53: Ja, was soll ich sagen? Darf ich mal kurz dazwischen?

00:20:59: Uns ging es gar nicht darum, das ländliche Leben hier schlechtzureden. Das kann ich

00:21:04: alles gut nachvollziehen und finde das auch sehr attraktiv und kann ich mir auch gut mal vorstellen

00:21:10: für vielleicht ein Monat, vielleicht auch mal für ein paar Monate. Aber in anderen Kontexten

00:21:16: sprechen wir von großen Veränderungsprozessen, die eigentlich uns alle betreffen, egal wo wir

00:21:23: wohnen. Wir sprechen von einem demografischen Wandel, den hattest du auch schon angedeutet.

00:21:28: Der betrifft euch natürlich auch in den Dörfern. Wir sprechen von der Dekarbonisierung, dass

00:21:33: wir durch den Klimawandel massiv unsere gesamte Volkswirtschaft umbauen müssen. Und dann sprechen

00:21:41: wir von der Digitalisierung, also der digitalen Transformation, die alle beide gemeinsam,

00:21:49: Dekarbonisierung und Digitalisierung darauf einzahlen, dass wir veränderte Arbeitsbedingungen

00:21:54: haben. Auch bei euch im Dorf, einige arbeiten als Bauer, das habe ich jetzt herausgehört,

00:22:01: aber die anderen müssen irgendwo anders Einkommen generieren, sofern sie nicht

00:22:05: schon verrentet sind. Also wird sich doch da auch grundlegend was verändern, was gar nicht

00:22:12: unbedingt negativ sein muss, weil wir durch die Digitalisierung auch viele Möglichkeiten haben,

00:22:17: auch in der Zwischenzeit Remote zu arbeiten, so wie wir jetzt auch hier sprechen. Aber inwiefern

00:22:23: betrifft euch das, diese großen gesellschaftlichen Umbrüche, die da im Moment anstehen?

00:22:32: Dann kommen wir auch noch auf eine andere Ebene höher als das Dorf. Denn dann betrifft

00:22:40: es mindestens die ganzen Dörfer, um den Kummerower See, um den Malchiner See. Da

00:22:47: ist dann schon eine größere Gemeinschaft. Ihr habt mich angesprochen als Gesprächspartner

00:22:55: aus jedem Dorf Gessin heraus. Das war spannend, war gut.

00:22:59: Und dieses kleine Dorf Gessin wird nicht die Welt retten. Aber die großen Umbauprozesse,

00:23:05: die wir haben, die kann man doch auch von unten her betreiben.

00:23:09: Richtig, richtig, unbedingt. Wenn wir darüber reden. Ich habe das

00:23:18: vorhin angedeutet, vielleicht kriegen wir uns strommäßig alleine versorgt. Vielleicht kriegen

00:23:25: wir unser mobiles Problem alleine, nebenbei gesagt unser Dorfauto fährt mit Strom. Das

00:23:33: sind so kleine Ansätze. Und wenn man in der Nachbarschaft darüber berichtet: Oh,

00:23:36: wir rüsten jetzt unsere Ölheizung um, denkt auch bitte dran. Momentan gibt es sogar 45% Förderung.

00:23:42: Da hört man auch gerne hin. Das sind keine großen politischen Appelle, die wir hier lostreten können

00:23:47: und wollen, sondern wir haben durch dieses offene Verhältnis in einem solchen ländlichen Raum die

00:23:53: Chance unsere guten Erfahrungen weiter zu bringen. Und Umbau der Gesellschaft ist auch kein Prozess,

00:24:00: der, wie soll man sagen, von heute auf morgen passiert, sondern das sind Prozesse, die uns

00:24:08: begleiten im Leben, auch wenn die Zeit langsam drängt. Aber schauen wir uns die Prozesse an,

00:24:14: die wir mit der Digitalisierung zum Beispiel in diesem kleinen Kressin geschafft haben,

00:24:21: da wo ich jetzt gerade sitze und in diesem Büro arbeiten also acht Leute. Warum dürfen

00:24:27: die hier arbeiten? Natürlich, weil wir einen Internet-Anschluss hier haben. Ich mag dieses

00:24:31: Wort gar nicht in den Mund nehmen. Es ist ein Coworking-Space. Dass ich hier auf dem Dorf sage:

00:24:38: Coworking-Space. Was ist das? Das sind zwei Büroräume, also viele verschiedene Unternehmungen,

00:24:45: die im Büro Platz haben und die miteinander kooperieren und so weiter. Diese Umbauprozesse,

00:24:51: die haben doch schon längst begonnen, ohne dass wir sie auf wunderbare Begriffe reduzieren oder

00:24:57: ausweiten wollen. Was ist das Problem? Wir können nur von unten diese Umbauprozesse betrachten und

00:25:06: vielleicht kann das ein Vorbild für andere Dörfer werden. Aber ich kann eben nur Hilfe anbieten und

00:25:16: sagen: Oh, das geht eigentlich alles und versucht es doch mal! Ich weiß gar nicht,

00:25:20: ob ich den ganzen Kummerower See retten möchte. Ich weiß nicht, ob ich mich da berufen fühle.

00:25:25: Ich kann nur sagen: Bei uns im Dorf sind genau solche Prozesse angeschoben. Ganz neu für uns,

00:25:33: ganz neu, du weißt, dass wir auf unserem Hof nicht nur energieautark leben, sondern auch rein

00:25:38: biologisch. Und stelle dir vor, ein Jungbauer kam zu uns und hat gesagt, wenn die Pachtverträge für

00:25:48: unsere landwirtschaftlichen Flächen auslaufen. Ob er diese Flächen, jemand aus dem Dorf, die

00:25:57: Flächen zu pachten, um biologische Landwirtschaft zu betreiben. Das sind doch Umwandlungsprozesse,

00:26:05: die doch revolutionär sind. Man kann von uns aus gesehen, von unserer kleinen Zelle noch einiges

00:26:15: machen. Wie kriegen wir solche Umbauprozesse hin? Da sage ich mal einfach anfangen. Rein

00:26:23: statistisch, liebe Anja, arbeiten in diesem Dorf mehr, als Menschen im berufsfähigen Alter sind.

00:26:30: Das dürfen wir so am Rande mal bemerken. Wir sind durchaus, auch mit 60, sehr arbeitsam.

00:26:38: Jetzt sage ich ganz bewusst auch dank der Digitalisierung, es ist heute egal, von wo du

00:26:48: arbeitest. Das ist natürlich der Vorteil. Ihr habt jetzt unglaublich tolle Erfahrungswerte.

00:26:54: Inwiefern tauscht ihr euch aus mit den Nachbardörfern? Egal, ob das jetzt bis

00:26:58: zum Kummerower See oder wo auch immer ist. Gibt es da Austausch und Lernprozesse, die ihr

00:27:05: untereinander teilt? Wie gestaltet ihr die? Es gibt solche Treffen, die nicht unbedingt immer

00:27:16: durch uns angeschoben werden, aber auch durch uns angeschoben werden. Ich nehme ein Beispiel.

00:27:22: Weil es momentan meine Lebenswelt bestimmt. Ich führe diesen kleinen Dorfladen hier im Dorf und

00:27:31: es ist sehr viel händische Arbeit damit verbunden, diesen Prozess von Bestellung und Warenwirtschaft,

00:27:37: bis hin zu Vorschriften, von denen Kunde gar nichts weiß im Hintergrund. Wir sind an eine neue

00:27:43: Verordnung gebunden, mit TSE-Schnittstellen und all solche spannenden Geschichten. Wenn man das

00:27:49: in einer Supermarktkette löst, hat man eine Crew von Spezialisten und die lösen das Aldi und Co..

00:27:57: Die Einzelhändler und meistens auch Einzelkämpfer haben so was nicht. Wir haben gar nicht solche

00:28:03: Gemeinschaften. Und jetzt berichte ich nur wieder von dem Beispiel. Was haben wir also versucht?

00:28:09: Das haben wir auch geschafft. Wir haben ein solches Netzwerk von Dorfleben aufgebaut.

00:28:14: Das ist eine ganz spezielle Materie, aber wir nennen uns ganz stolz das Netzwerk Dorfladen MV,

00:28:20: wo genau solche Probleme einfach erörtert werden. Wie kriegen wir die Digitalisierung in den

00:28:26: Dorfladen? Und jeder weiß, dass wir bis gestern die Registrierkasse hatten und ich weiß gar nicht,

00:28:32: wird das auch bildlich mitgeschnitten oder nur tonmäßig mitgeschnitten.

00:28:36: Wir schneiden es bildlich mit, aber wir werden am Schluss nur den Ton ausstrahlen.

00:28:40: Ahja, dann muss ich also erklären, was ich jetzt zeigen würde. Die Dorf Kasse ist mit diesen

00:28:45: berühmten GRRRNG verbunden. Wenn man auf dem Dorf war. GRRRNG Das sind Registrierkassen. Mit diesen

00:28:56: werden wir den ganzen Verordnungen gar nicht mehr gerecht, aber auch den tagtäglichen Abläufen nicht

00:29:02: mehr gerecht. Unsere Gemeinschaft in diesem Netzwerk Dorfladen tragen wir dafür Sorge,

00:29:07: dass genau diese Digitalisierung Einzug hält. Insofern wir nicht nur Lebensort sind, sondern

00:29:14: wir versuchen auch Lernort zu sein. Das, was wir für uns begriffen haben, auch gerne weiterzugeben.

00:29:21: Joachim kennt besser als ich die Aktionen der Raumpioniere, die er vor allen Dingen

00:29:30: gut begleitet. Da sind wir immer wieder gerne Gesprächspartner. Dass man sagt,

00:29:35: es gibt gemeinschaftlich bessere Lösungen als Einzelne, das kann man auch einfach so sagen.

00:29:40: Und da sind wir nicht immer mit der Fahne vorweg. Aber wir sind auch nicht mit der Fahne hinterher.

00:29:45: Jüngstes Beispiel ist die Digitalisierung, um das Digitalisierungsproblem noch mal zu nennen.

00:29:53: Wir haben in unserem Dorf überhaupt keine gute Handyverbindung und mit dem Internet sah das

00:30:00: auch nicht so gut aus. Und was haben wir jetzt gemeinschaftlich gelöst? Jetzt ist es ungefähr

00:30:04: vier Wochen her. Wir haben gemeinschaftlich im Dorf ein WLAN aufgebaut mit ganz vielen

00:30:10: Repeatern im Dorf. Jede zweite Straßenlaterne hat jetzt so ein Gerät dran, sodass wir das Internet

00:30:17: mal sehr volkstümlichen per Satellit ins Dorf holen und quasi durchs Dorf als WLAN funken, dass

00:30:25: wir eine recht stabile und flüssige Verbindung haben. Wer also uns jetzt sieht, ich habe also

00:30:31: ohne Bildverbindung mit euch. Es zeugt davon, dass einigermaßen Tempo auch auf unseren Bahnen möglich

00:30:37: ist. Da muss man natürlich loslaufen, dieses WLAN wird einem keiner bringen, da muss man dann schon

00:30:45: das machen wollen und sagen: Komm, wir wohnen zwar hinterm Berg, es tut mir leid, sonst hätten

00:30:51: wir ja vielleicht Handyempfang, aber wir wohnen in so einer Tallage. Will nicht sagen, dass wir

00:30:55: das Tal der Ahnungslosen sind. Dann muss man das Funknetz reinbringen. Und wenn es keiner macht,

00:31:01: weil man mit uns nicht genug Geld verdient, dann muss man sich selbst an die Straßenlaternen solche

00:31:06: Dinger anbinden und dafür Sorge tragen, dass man Internet hat. Siehe da, das kann man auch in die

00:31:13: Welt tragen. Aber auch einen Streit anfangen. Ihr wisst, Problemlagen sind jeden Tag da.

00:31:21: Anfangen und man darf sich auch mal irren. Anja hatte noch eine Frage, oder Anja?

00:31:31: Nein. Aber ich, wenn Anja keine Frage hat. Ich würde

00:31:35: gerne noch mal was raus, nee, nicht kitzeln, wir müssen gar nicht darüber reden. Ich möchte es bloß

00:31:40: noch mal deutlich machen. Du hast in einem der ersten Sätze, als du von Gessin gesprochen hast,

00:31:44: diesen einen Begriff gefunden und benutzt, den ich so ungemein toll finde und wichtig finde. Nämlich:

00:31:53: Man redet miteinander, man arbeitet zusammen, man macht zusammen, wenn man einen Grund hat. Und das

00:32:03: ist für mich eine immer wiederkehrende Erfahrung, die du, Bernd, mir eigentlich mit diesem Begriff

00:32:10: Grund vor vielen Jahren mal geliefert hattest. Warum trifft sich diese Dorfgemeinschaft? Warum

00:32:20: treffen sich die Männer denn? Deswegen lachte ich vorhin bei der Allmende. Weil ihr Heizholz

00:32:28: braucht und das kommt auch nicht alleine aus dem Wald. Einmal im Herbst rein in Wald und

00:32:34: Männer können wieder Männer sein und all diesen Käse fabrizieren kann. Es ist toll, nicht immer

00:32:40: gleich jedes einzelne Detail. Es ist toll, sich dessen bewusst zu sein. Wir brauchen einen Grund,

00:32:50: wenn wir als Menschen miteinander zu tun haben wollen, dann freuen wir uns nämlich auch. Und

00:32:55: dann packen wir auch zusammen was an und das gilt eigentlich auf der regionalen Ebene. Das hört sich

00:33:05: gleich schon wieder so planerisch oder politisch an, meine ich gar nicht. Ich meine, wer kennt wen?

00:33:10: Aus welchem Dorf zu welchem anderen Dorf? Wer hat eine PVA noch nicht auf dem Dach, möchte aber. Und

00:33:18: so weiter. Dieses Miteinander reden, sich weiter Informationen zu geben und dann vielleicht auch

00:33:27: zu entdecken, was du mir vorhin gemacht hast, zu sagen: Oh ja, ich bin eigentlich Lernort. Bei mir

00:33:34: habe ich etwas gemacht, was alle anderen bisher noch gar nicht gemacht haben, weil es auch gar

00:33:39: nicht so viele gibt. Also es gibt viele Aldis oder Lidls, aber wenig kleine Hofläden. Wie können die

00:33:46: bei mir das lernen? Finde ich spannend. Ja, das hört sich immer so bescheuert an,

00:33:53: weil ich nicht so gerne Begriffe aus dem politischen Raum benutze. Aber wenn man

00:33:59: das mal auf den Punkt bringt, wir sind schon ein Lebensort. Das darf man schon so sagen. Bei uns

00:34:05: steppt schon der Bär, also, das wäre ja schon fatal, wenn wir das nicht behaupten würden

00:34:09: Man geht gerne zu euch, wo es steppt. Das ist schön.

00:34:14: Wir haben einen tollen Laden, da kann man toll einkaufen, wir zeigen tolle Kinofilme. Und haben

00:34:21: auch erfolgreich gerade in der dörflichen Gemeinschaft ein Abspeckprogramm hinter uns. Wir

00:34:26: nannten es Gessin bewegt sich, ein Dorf speckt ab, wo wir mehr als die Hälfte der Bevölkerung oder

00:34:34: der Nachbarschaft dabei hatten und abgenommen. Es waren 30 Leute dabei, die abspecken wollten.

00:34:40: Und haben sie? 6,5 Kilo im Schnitt. Aber

00:34:49: das sind auch gemeinschaftliche Probleme. Zu dick zu sein. Und wenn man sich so gut kennt wie wir,

00:34:56: wir schauen uns auch gegenseitig in die Kochtöpfe, dann kann man auch gemeinsam abnehmen. Es ist gar

00:35:01: nicht so schlimm. Ja, das ist schon lustig gewesen, aber deine Feststellung, die du hast,

00:35:10: Lernort zu sein, man muss schon so was wie Vorbild hat auch irgendwie so öffentlichkeitswirksame

00:35:19: Folgen. Dann steht man öfter mal in der Zeitung oder mal beim NDR durch die Kamera. Das müssen

00:35:27: wir auch ertragen. Das sind eher die zufälligen Geschichten. Du kriegst mal wieder einen Preis für

00:35:33: irgendetwas und dann ist die örtliche Presse und der NDR auch mal wieder dabei. Aber das, was du

00:35:40: meinst, ist tatsächlich Lernort zu gestalten. Das kann man propagieren und dann auch üben. Man kann

00:35:47: sich aber auch an Aktionen beteiligen. Ich mache bloß wieder einige Beispiele, damit man weiß,

00:35:54: was ich meine. Seit vielen Jahren gibt es den Tag der erneuerbaren Energien. Mitmachen, wer was hat,

00:36:02: der kann den Tag da mitmachen, zeigen, wie er seine erneuerbaren Energien wohl bereitstellt.

00:36:08: Das machen wir seit 20 Jahren, seitdem es diesen Tag gibt. Mitmachen beim Tag des offenen Denkmals,

00:36:14: mitmachen bei Kunst offen. Kunst offen ist eine Aktion von Hobbykünstlern zu Pfingsten,

00:36:23: dass man einfach seine Ateliers öffnet. Einfach mitmachen, wenn solche Tage sind. Tag des offenen

00:36:28: Gartens und was wir alles für tolle Tage haben. Die gar nicht durch uns organisiert werden, da

00:36:33: braucht man einfach nur mitmachen und dann darf man auch Lernort manchmal bewusst werden. Da

00:36:39: bin ich jetzt auch ein bisschen stolz, dass wir gerade zertifizierter Lernort geworden sind.

00:36:44: Wer zertifiziert denn so was? Bei uns der NUN.

00:36:47: Das ist eine Kombination von RENN. Das ist ein Rat für Nachhaltige Entwicklung und die haben

00:36:59: regionale Büros. Das ist hier Nord und Nord zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft

00:37:08: oder Arbeitsgruppe BNE, Bildung für nachhaltige Entwicklung, die zertifizieren

00:37:15: hier außerschulische Lernorte. Ja, und dann muss man schon sagen,

00:37:20: was man tut und wie man es tut und wer dann in Anführungszeichen als Referent zur Verfügung

00:37:26: steht und das muss man dann auch schon alles gut machen. Und das sind dann Aktionen,

00:37:31: die wird man nicht überall machen können. Wenn es ein Land voller Lernorte wäre. Ich glaube,

00:37:37: das würde dann auch nicht so funktionieren. Aber wir haben das gerne gemacht, weil wir unsere

00:37:41: Erfahrungen dann auch gerne weitertragen in diese kleine Welt der Mecklenburgischen Schweiz.

00:37:47: Das ist ein tolles Schlusswort. Ich finde es auch. Ich wollte auch gerade sagen,

00:37:52: weil unsere halbe Stunde ist schon längst gefüllt, aber eine letzte Frage sei mir noch gestattet,

00:37:58: weil es mich wirklich interessiert. Was unterscheidet den Mecklenburgischen Schweizer

00:38:06: von einem Norddeutschen oder einem Mecklenburger? Empfindest du dich als Mecklenburgischer

00:38:16: Schweizer? Und wenn ja, warum? Ach, das ist jetzt ja auch eine komische

00:38:20: Frage. Die haben alle Stöckchen, damit die den Hügel hochkommen.

00:38:26: Unsere Landschaft hat tatsächlich Berge, es ist alles seitlich geprägt und deswegen gibt es ein

00:38:34: paar Hügel mehr als woanders. Jetzt kann ich die Geschichte erzählen, wie man sich

00:38:39: in der Schweiz fühlt, dass man sich von Tal zu Tal gar nicht kennt, weil man über die Berge

00:38:44: nicht rüberkommt. Es ist einfach ein regionaler Begriff, der dazu einfach nur dient, so was wie

00:38:52: ein Alleinstellungsmerkmal zu erstellen. Es gibt die Küste, jeder kennt die Seenplatte und wir sind

00:38:59: die Mecklenburgische Schweiz. Was das Traurige an der Mecklenburgischen Schweiz ist, dass man

00:39:05: dieses Gebiet, was innerlich zusammengehört, leider administrativ getrennt hat. Es ist

00:39:12: durch Kreisgrenzen durchzogen. Das bewirkte, dass Planungsverbände dieses Gebiet trennen.

00:39:20: Dass die Handwerkskammer und die IHK und alles das, was es an administrative Größen gibt, die

00:39:26: Mecklenburgische Schweiz mitten durchschneidet. Das tut weh. Und dass wir uns ganz stark bemühen,

00:39:31: dieses Gefühl der Heimat der Mecklenburgischen Schweiz wieder aufleben zu lassen. Und jetzt

00:39:37: kriegst du deine Antwort, Anja: Ja, ich bin ein regionaler Mensch und Meck-Schweizer. Nebenbei

00:39:48: haben wir genau mit diesem Namen Meck-Schweizer unsere regionale Vermarktungsinitiative benannt.

00:39:55: Wir wollen dafür Sorge tragen, dass Produkte, die hier hergestellt werden, auch freundlicherweise

00:40:00: hier konsumiert werden können. Und da ist uns die Butter aus unserer Region lieb und teuer und

00:40:07: lieber als die Butter aus dem Allgäu. Nichts gegen das Allgäu, aber so viel zu Nachhaltigkeit.

00:40:14: Ich habe übrigens noch ein paar Arme Mangold, brauchst du welchen?

00:40:22: Ja also du weißt, unsere Vertriebsplattform kennst du? Stell dein Mangold ein, ich bestell ihn gerne,

00:40:28: auch wegen der Digitalisierung. Okay, damit haben wir eigentlich schon jetzt

00:40:35: den digitalen Mehrwert aufgezeigt. Geht gar nicht anders.

00:40:39: Ich danke euch. Ich würde mal sagen, wir biegen jetzt auf die Endkurve ein. Vielen Dank, Bernd,

00:40:46: für deine Zeit. Vielen Dank, Joachim, für deine Fragen.

00:40:50: Und danke dir für dein technisches Know how hier drin gut geschaltet?

00:40:56: Werde bestimmt in Gessin, sollte ich mal wieder in der Ecke sein,

00:40:59: vorbeischauen und in dem Laden Hallo sagen. Ich hoffe, das ist keine Drohung, sondern ein

00:41:07: Versprechen. Schau vorbei! Ja. Okay. Danke schön. Ich

00:41:13: beende mal die Aufzeichnung. So, das war unsere dritte Folge im EduFutures

00:41:20: Podcast zum Schwerpunkt 'Transformatives Lernen im ländlichen Raum'. Ich denke,

00:41:25: ich habe nicht zu viel versprochen. Bernd Kleist ist es ein wirklich interessanter

00:41:29: Gesprächspartner aus der Mecklenburgischen Schweiz. Ich nehme eins mit, nämlich:

00:41:35: Just do it. Einfach machen, nicht klagen, nicht lamentieren, sondern machen, umsetzen,

00:41:42: versuchen die Probleme direkt im eigenen Umfeld zu lösen. Konstruktiv, in der Vernetzung,

00:41:48: gemeinschaftlich. Das ist das, was wir hier erneut lernen können. Ich hoffe,

00:41:53: es hat euch gefallen. Schenkt uns doch einen Like oder einen Retweet oder abonniert den Channel.

00:42:00: Was immer euch gefällt, gefällt uns auch. Und ich wünsche euch alles Gute bis dahin. Bye Bye.

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